Mangelndes Risiko-Management


    Die Stimme der KMU und der Wirtschaft


    (Bild: zVg) Henrique Schneider

    Kommt nun die Energiemangellage oder nicht? In den Medien wird viel über die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens diskutiert. Viel wichtiger wäre aber, ihr Risiko zu managen. Dafür braucht es viel mehr Koordination.

    Risiko ist das Resultat von Eintrittswahrscheinlichkeit und potenziellem Schaden. Risikomanagement muss damit beide Elemente ansprechen. Für die Energiemangellage heisst das:
    Einerseits muss man die Eintrittswahrscheinlichkeit senken. Die Aufrufe zum Energiesparen gehören dazu. Noch wichtiger ist der Ausbau der Produktionskapazitäten für elektrischen Strom. Andererseits müssen Massnahmen eingeleitet werden, damit der potenzielle Schaden möglichst klein bleibt, wenn die Mangellage eintritt.

    Die Schweizer Wirtschaft wurde früh aktiv. Im Mai unterbreitete sie dem Bundesrat umfassende Vorschläge zur Verbesserung der Versorgungssicherheit der Schweiz mit elektrischem Strom. Damit hätte die Eintrittswahrscheinlichkeit der Mangellage reduziert werden sollen.

    Aber auch für die Reduktion des potenziellen Schadens trat die Wirtschaft ein. Etwa: Schon im ersten Quartal dieses Jahres forderten der Schweizerische Gewerbeverband sgv und andere Arbeitgeberorganisationen den Bund auf, Vorbereitungsarbeiten für die Flexibilisierung der Kurzarbeit in Angriff zu nehmen. Sollte es zur Mangellage und damit auch zum Stopp der Wirtschaft kommen, müssen die Einkommen der Menschen bis zu einem Grad garantiert bleiben. Das mindert den Schaden.

    Was der Schaden erst recht mindert, sind die Branchenpläne. Gemäss diesem Vorschlag sollen Branchen oder Wertschöpfungsketten verbindliche Energie-Sparvereinbarungen mit dem Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung erarbeiten können.

    Unternehmen, die diese Sparpläne umsetzen, um die Vereinbarungen zu erfüllen, sollen von weiteren Bewirtschaftungsmassnahmen gemäss Notverordnung möglichst ausgenommen werden, insbesondere aus den Verboten und Einschränkungen einzelner Aktivitäten beziehungsweise der Nutzung einzelner Geräte. Denn die Notverordnungen, die im Fall einer Mangellage in Kraft treten, sind ein knallhartes Verzichtsprogramm.

    Mit diesen Vorschlägen will die Wirtschaft ein Energiemangellage-Risikomanagement auf der Bundesebene aufbauen. Doch wie der Bund darauf reagiert, ist widersprüchlich und unklug.

    Zum Beispiel Branchenpläne: Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung gab vor, auf den Vorschlag einzutreten. Doch es veränderte ihn bis zur Unkenntlichkeit. Das von der Stromwirtschaft allein beherrschte Amt will die Wirtschaft zum Energiesparen verpflichten. Aber ein Entgegenkommen will es nicht zeigen. Es lässt sogar die Möglichkeit offen, Firmen doppelt zu belasten. Sie gehen Sparverpflichtungen ein und dann wird ihr Strombezug auch noch eingeschränkt, so das Amt.

    Auch die anderen Vorschläge der Wirtschaft zum Risikomanagement will das Bundesamt für «wirtschaftliche» Landesversorgung nicht. Diese Handlanger der Stromwirtschaft geben mehr zu, als nur kein Risikomanagement zu kennen. Sie scheinen sogar auch noch den Schaden maximieren zu wollen.

    Die Widersprüchlichkeiten enden nicht hier. Das Staatssekretariat für Wirtschaft seco, übrigens im gleichen Departement untergebracht wie das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung, ist grundsätzlich gegen Energiesparmassnahmen. Dieses Amt verschickte nämlich eine Information an Betriebe mit Warnungen vor den zwei wichtigsten Energiesparmassnahmen, Temperaturabsenkung und Lüftung. Offenbar führen 19 Grad im Betrieb zu Kopfweh, so das seco.

    So viel Widerspruch verträgt es in keiner Krise. Die Wirtschaft musste bereits die Kosten und Auswirkungen der Covid-19 Pandemie tragen. Sie kann und will nicht, auch noch die Kosten der Energiemangellage schultern. Die Energiemangellage ist ein Staatsversagen. Das Risikomanagement im Departement Parmelin ist auf dem besten Weg dazu, auch eines zu werden.


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    Zur Person:
    Henrique Schneider ist Verleger der Umwelt Zeitung. Der ausgebildete Ökonom befasst sich mit Umwelt und Energie aber auch mit Wirtschafts- und internationaler Politik.

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